Vom Sterben und Leben in Deutschlands Einkaufszentren

Funktioniert eine Shopping Mall nicht, ist chronischer Ladenleerstand ein unerbittliches Anzeichen dafür, dass Entwickler und Centermanagement daran scheitern, Ladengeschäfte auf Dauer mit Leben zu füllen. Die Gründe sind vielfältig und nicht nur allein in den überdachten Gewerbeimmobilien zu finden. Bei weitem sind nicht nur in den USA tote Shoppingcenter ein Thema, sondern mehr und mehr auch in deutschen Städten.

Seit Jahrzehnten ist ein anhaltend gnadenloser Konkurrenzkampf um Kunden im Gange. Subventionen, Fehlplanungen und niedrige Baukosten führen oft zu einem Überangebot an Einzelhandelsflächen. Darüber hinaus ist die Lebenserwartung einer Mall ziemlich kurz, da die Symptome des Alterns schnell sichtbar werden und Facelifts mit hohen Investitionen verbunden sind. Manch‘ ein Investor witterte meist die Chance und stellte ein größeres, frischeres Einkaufszentrum auf eine Wiese in der Nähe, mit neuen Läden und Parkplätzen ohne hässliche Ölflecken. Kurz darauf wurde der Vorgänger zugesperrt und abgeräumt.

In der Boomphase der Jahre 1991 bis 1995 entstanden 40 Prozent der Shopping-Center auf der grünen Wiese. Damit ist, bis auf einige Ausnahmen wie der vom portugiesischen Entwickler Sonae-Sierra realisierten Standort im südhessischen Weiterstadt, aber Schluss. In Weiterstadt entstand für 265 Mio. Euro das Loop 5 mit einer Verkaufsfläche von 59.510 Quadratmetern. Momentan wird jedoch eher in deutschen Stadtzentren oder deren Randlagen gebaut. Die Projekte passen sich besser den vorhandenen Stadtstrukturen an wie bei der 2004 eröffneten Kamp-Promenade in der Innenstadt Osnabrück.

Über Potential und Passagen

Manchmal liegt es an einem kleinen Detail, was den Unterschied zwischen einem funktionierenden Shoppingcenter und einem toten Einkaufszentren („Dead Mall“) ausmacht. Ist ein Bahnhof zum Beispiel so gebaut, dass die aussteigenden Fahrgäste auf dem Weg zur Innenstadt ein Center durchqueren müssen bzw. daran direkt passieren müssen, erzeugt genau jene Frequenz an Besuchern, die eine Shopping Mall am Leben erhält. Laut einer Studie des Marktforschungsunternehmens GfK GeoMarketing aus dem Jahr 2010 erfüllt jedes dritte in Deutschland gebaute Einkaufszentrum ab einer Mietfläche von 10.000m² nicht die Erwartungen der Investoren. Vor allem Fehler in der Konzeption, beim Mieter- und Branchenmix oder bei der Größen- und Standortwahl werden aufgeführt.

Vor allem bei den ostdeutschen Centern gibt es einen hohen Revitalisierungsbedarf. Nach der Wiedervereinigung sind die Fachmarktzentren auf der grünen Wiese schnell gebaut worden. Heute sind sie in der Regel von hoher Bedeutung für die Region und so groß, dass sie von der Immobilienbranche und dem Einzelhandel nicht einfach so aufgegeben werden.

Aber auch in den westdeutschen Malls ist mittlerweile Leerstand zum Thema geworden. Vor allem die innerstädtischen Einkaufsgalerien aus alten Bundesrepublik-Zeiten in Mainz, Offenbach oder Fulda kranken. Oft sind diese Mini-Malls zu klein und unspezifisch, um sich gegen die innerstädtischen Einzelhändler oder die Fachmarkt-Ansammlung auf der grünen Wiese zu behaupten.

Als sicheres Indiz für Vermietungsprobleme gilt der Namensbestandteil „Passage“. Nur eine von zehn solcher Durchgänge, die Einzelhandelsflächen beherbergen, funktioniert. Nur wenn eine Passage die Abkürzung zwischen zwei Hauptfrequenzpunkten einer Stadt ist, strömt eine ausreichende Zahl von Passanten durch die Passage, um die Geschäfte mit Leben zu füllen.

Dead Malls

Wenn ein Einkaufszentrum gestorben ist, gehören neue Nutzungskonzepte auf den Tisch. So ist das prominente Beispiel einer benötigten Umnutzung in der baden-württembergischen Residenzstadt Ludwigsburg zu finden. Das Marstall-Center, 1975 eröffnet, befindet sich im Sockel eines Wohnhochhauses. Das zweigeschossige Gebäude samt Parkhaus hat bis in die späten 1990er Jahre bestens funktioniert. Dann kam „Breuningerland“ vor die Tore der Stadt und machte dem Marstall-Center und dessen Ankermieter Karstadt in zunehmenden Maß die Kunden streitig. Dann gab 2005 die Stadt Ludwigsburg eine Baugenehmigung für ein neues innerstädtisches Einkaufszentrum. Darauf musste reagiert werden. Die Verwaltung wollte daraufhin alle 20 Eigentümer des Marstall-Centers von einer Investition überzeugen, doch es konnte keine Einigung erreicht werden. Ankermieter Karstadt zog im März 2010 aus, woraufhin Kaiser’s Tengelmann und weitere Ladenmieter folgten. 2013 übernahm das ECE Projektmanagement das Center, was sich zu einer Dead Mall entwickelt hat, um es zu renovieren und revitalisieren. Nach aktuellem Planungsstand beginnen die Modernisierungsarbeiten für im Frühjahr 2014.

 

Das Ende ist meist der neue Anfang

 

Deutschen Shopping Malls steht einiges an Arbeit bevor, um erfolgreich durch die Moderne zu navigieren. Einst machte der Wiener Immigrant Victor Gruen diese Form des Einkaufens in Amerika berühmt. Er träumte von den Gassen seiner europäischen Heimat, als er 1954 das Northland Shopping Center bei Detroit entwarf, was zum Vorbild für Tausende ähnlicher Projekte avancierte, die bald überall in den Vororten der USA aus dem Boden wuchsen. Das Prinzip war simpel: Ein überdachter, großzügiger Korridor mit perfekt durchgemischten kleineren Geschäften mündete an beiden Enden in je einen Anchor Store.

 

Heute sind die Bedürfnisse der Kunden anspruchsvoller und auch die Kriterien für ein erfolgreiches Shoppingcenter differenzierter. Manchmal entscheidet nur die Ausrichtung des Ausgangs einer Zugstation darüber, ob die Shopping Mall funktioniert oder nicht.

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